Die Sternenkinder
„Du bist dir absolut sicher, Silence?“ Green sah Silence entschlossen, aber auch ein wenig zögerlich in die schwarzen Augen, in welche sie einige Wochen zuvor noch nicht hatte sehen wollen. Sie hatte ihren Anblick gemieden, hatte ihre Anwesenheit mehr als alles andere gefürchtet – aber nun nannte sie dieses geisterhafte Wesen ihre Freundin. Ein Rachegeist aus einer anderen Zeit, mit welchem Green mit Mitgefühl in der Stimme sprach, denn sie konnte sich vorstellen, wie belastend dieses Thema für sie sein musste.
„Es gibt für mich keinen Grund nicht sicher zu sein.“
„Ich wäre dir nicht böse, wenn du „nein“ sagen würdest.“
„Es stört mich nicht, wenn deine Halbdämonen von Aeterniem und Youma wissen. Und wenn sie irgendwie unpassend reagieren oder ich meine Meinung ändere…“ Silence öffnete ihre Augen wieder und auch, wenn diese schwarz waren, so wirkte sie plötzlich sehr dämonisch und recht bedrohlich mit ihrem schmalen Lächeln.
„… werde ich schon dafür sorgen, dass sie es wieder vergessen werden.“ Diese Frau brauchte keine rotleuchtenden Dämonenaugen, um Green einen Schauer über den Rücken laufen zu lassen und die Hikari spürte, dass ihr Instinkt sie eigentlich dazu bringen wollte, auf ihrem Bett ein wenig nach hinten zu rücken, weg von Silence, die mit verschränkten Armen an der Kommode Green gegenüber lehnte.
„Ich möchte nicht, dass Blut fließt.“
„Dann solltest du diese Geschichte aus alten Zeiten auf eine ordentliche, respektvolle Art wiedergeben, ansonsten wird es dein Blut sein“, antwortete Silence in einem ernsten Tonfall und ohne dabei zu lächeln. Green dagegen zwang sich nun zu einem Lächeln.
„Das ist ein Witz.“ Nicht wahr…?
„… oder?“ Silence lächelte wieder – heiter und… etwas dunkel.
„Das möchtest du nicht herausfinden, Hikari-sama.“
Doch, Green wollte es herausfinden. Also nicht, ob Silence sie umbringen würde – dass sie zum Mord fähig war wusste sie – aber Green wollte alles über die Frau ihr gegenüber herausfinden. Silence hatte ihr schon sehr viel von ihrer Vergangenheit gezeigt und von dieser erzählt und auch wenn Green nicht glaubte, dass es sonderlich freiwillig gewesen war, so glaubte sie dennoch, dass es Silence gutgetan hatte, diese alte Geschichte mit jemandem zu teilen. Green wollte respektvoll mit dem Wissen umgehen. Sie wollte Silence zeigen, dass sie auf ihrer Seite war und dass sie… Freunde waren.
Siberu und Gary wollte sie es daher nicht erzählen, weil es eine „spannende“ Geschichte war. Sie wollte es ihnen erzählen, weil sie alles mit ihnen teilte; weil sie nicht länger alles alleine machen wollte und weil sie… das Gefühl hatte zusammen mit Silence in etwas Größeres hineingeraten zu sein; einen Strudel, dessen Abgrund sie nur gemeinsam mit Siberu und Gary entgegenblicken wollte. Seitdem Silence in ihr Leben getreten war und dieses bedroht hatte, hatte sie sich von Siberu und Gary ferngehalten, um diese nicht ebenfalls in Gefahr zu bringen… Green spürte, wie ihr warm wurde, als könnte sie Garys Finger noch zwischen ihren spüren, obwohl es doch nun schon zwei Wochen her war, dass sie sie gespürt hatte… jetzt wollte sie alles andere als Abstand halten. Damit war nun endgültig Schluss. Dieses Kapitel… Green nickte sich selbst zu… würden sie gemeinsam schreiben.
„Wenn du deine Dämonenplüschtiere dafür brauchst, ist mir das allerlei“, antwortete Silence auf diese Gedanken, die Green nicht laut ausgesprochen hatte, die Silence aber dennoch hörte – daran musste die Hikari sich definitiv noch gewöhnen.
„Aber sei dir bewusst, dass du sie in Gefahr bringst. Du hast Youma erlebt.“ Silence löste sich von der Kommode, an der sie vorher noch so getan hatte, als würde sie an dieser lehnen:
„Ich garantiere nicht dafür, dass die beiden dieses Kapitel überleben werden.“ Green nickte mit einem ernsten, nachdenklichen Gesichtsausdruck.
„Das weiß ich“, antwortete sie leise, aber mit Nachdruck.
„Aber ich will Gary vertrauen.“ Sie lächelte mit leicht erröteten Wangen.
„Und wenn er sagt, dass wir drei jede Gefahr gemeinsam durchstehen, dann glaube ich ihm.“
Nachdem Green Silence noch einmal gefragt hatte, ob es für sie wirklich in Ordnung war – und Silence laut wurde – lud sie die beiden Halbdämonen für den nächsten Tag zum Abendessen ein. Pink hatte sie für diesen Tag bei Grey untergebracht: zum Glück war es für Pink absolut verständlich, dass Green auch mal alleine sein wollte mit Siberu und Gary – für Grey weniger… aber das interessierte Green nicht. Hielt er Pink denn für einen Achter der Sitten? Was glaubte ihr Bruder denn, was sie taten, wenn Pink nicht da war? Argh, sie könnte sich stundenlang über ihn aufregen… Nein, jetzt nicht. Jetzt wollte sie das Zusammensein mit Gary und Siberu genießen – es war so lange her, dass sie einfach nur so zusammen aßen! Green hatte chinesisch gekocht, weil die beiden es so gerne mochten. Siberu mochte die süßsaure Variante, Gary die scharfe. Sie hatte das perfekte Abendessen gezaubert und Green hatte sich so sehr darüber gefreut, endlich mal wieder für sie kochen zu können: Siberu freute sich immer so sehr und auch wenn Gary es nicht zugeben wollte, er freute sich sicherlich auch! Ja, da war sie sich sicher. Sie konnte es in seinen Augen sehen, wenn sie sich ansahen und keiner von ihnen sofort wegsah… War es schon immer so schwer gewesen Gary in die Augen zu sehen ohne zu erröten? Ah, nein, natürlich war es nicht immer so schwer gewesen, sie war da ja noch nicht… nein, Green, nicht jetzt! Sie hatte keine Zeit sich über Grey zu beschweren und auch nicht für sie… und über Gary… und über irgendein Herzklopfen nachzudenken.
Außerdem war ihr schon aufgefallen, dass Siberus Augenbrauen ziemlich oft recht weit oben waren.
„Ist iiiirgendetwas vorgefallen, das letzte Mal als ihr beiden alleine wart, Green-chan?“ Urgh, die Frage musste ja kommen, dachte Green während sie Silver eine Schüssel zum Abtrocknen reichte. Siberu hatte wirklich nicht lange gewartet und sofort die Chance zu nutzen gewusst wo sein Bruder hinaus auf den Balkon gegangen war um etwas frische Luft zu schnappen, da er sich mit der Schärfe seines Essens doch etwas übernommen hatte.
„Ja, wir haben uns ausgesprochen, aber ich denke das weißt du schon von Gary?“
„Habt ihr mehr getan als euch… ausgesprochen?“ Siberu lehnte sich mit skeptischen Blick zu Green: die nasse Schale hatte er zwar angenommen, aber er hatte nicht angefangen mit dem Abtrocknen.
„Nein, Sibi, haben wir nicht.“ Also… doch hatten sie, aber das musste man ja nicht erwähnen… genauso wenig wie, dass Green das Gefühl hatte, dass ihre Hand sich erwärmte. Ob es Gary auch so ging…? Nein, Fokus, Fokus! Ansonsten war es Silence, dir ihr als nächstes skeptische Blicke zuwarf.
„Und jetzt beeil dich mit dem Abwasch, ansonsten kommen wir ja nie zum Hauptpunkt des Abends!“
„Hauptpunkt?“ Siberu sah sie verwundert an, aber es war nicht nur er, der dies fragte – genau in diesem Moment war auch Gary wieder hereingekommen und zeitgleich hatten die beiden Brüder diese Frage gestellt, die Green zu einem Grinsen brachte. Ach, es war so schön die beiden wieder um sich zu haben! Wie hatte sie es nur ohne sie ausgehalten!
„Ja, ihr seit heute nicht nur zum Essen hier“, antwortete Green auf die verwunderten Gesichter der beiden Brüder.
„Wir haben etwas vor! Also nimm du bitte kein Handtuch, Gary, das schaffen Sibi und ich schon alleine – mach lieber Tee. Es wird ein langer Abend.“
„Tee?“, fragte Siberu, der endlich die abgetrocknete Schüssel in den Hängeschrank über ihn stellen konnte.
„Sind wir denn bei den Wächtern?“ Gary lehnte sich an Green vorbei um an den Wasserhahn heran zu kommen und sah etwas tadelnd zu seinen abtrockenden Bruder:
„Nicht nur Wächter trinken Tee, Silver.“
„Tee schmeckt nicht.“
„Da merkt man mal wieder, dass du jünger bist als du tust.“
„Was hat denn das mit meinem Alter zu tun?“
„Also keine Sorge, Sibi, ich habe dir einen süßen Tee gekauft.“ Sie sah grinsend zu dem Rotschopf:
„Das sollte dich ehren!“ Green lachte, aber das Lachen verstummte sanft, als Gary aus Versehen ihren Arm streifte. Sie sah ihn an. Er sah sie an – und beide erröteten, während Siberu mit den Augen himmelte. Und er sollte jung sein, huh… Gut, er war der jüngste in dieser Wohnung – er mochte gar nicht darüber nachdenken, dass er nur wenige Monate älter war als Pink – aber gewisse zwei Leute führten sich auf wie Kleinkinder.
Und er wohl auch. Denn irgendwie… mochte er das nicht seh- nein. Egal. Es spielte keine Rolle.
Als hätte Silence nur darauf gewartet, bemerkte Green, dass sie hinter Gary auftauchte, als sie sich mit dem fertig gekochten Tee in die Sofaecke lümmelten. Ihr Blick war scheinbar recht auffällig, denn Gary sah über die Schulter, als erwartete er dort jemanden zu sehen – aber obwohl er von Silence wusste konnte er sie natürlich dennoch nicht sehen. Doch auch wenn er nichts sagte: Green meinte in seinem Blick zu erkennen, dass er verstand, warum Green so auffällig auf einen Punkt hinter ihm gesehen hatte – dass sie eben keinen Punkt an der Wand fokussiert hatte oder die Tür, die zu Pinks Zimmer führte, sondern eine Person angesehen hatte… eine Person, die ihr leicht zugenickt hatte.
„Ich möchte euch etwas erzählen“, begann Green und nahm den Tee entgegen, den Gary ihr und Siberu gereicht hatte. Die Hikari zögerte ein wenig, denn sie hatte sich eigentlich keine Gedanken darüber gemacht wie sie anfangen sollte… aber als sie Siberu und Gary ansah, der eine links neben sie, der andere ihr gegenüber, die bereits ganz gespannt und geduldig darauf warteten, was sie ihnen erzählen würde… zögerte sie nicht länger und begann einfach.
„Und zwar von Aeterniem.“
DIE AETERNIEM CHRONIKENDamals, als die Zeit noch jung war
An dem Tag, als die gemeinsame Geschichte der Wächter und der Dämonen eine Kehrtwende machte, regnete es in Strömen vom Himmel herab, der in Bächen von den prachtvollen Türmen herunterfloss und das Licht der Fenster und Laternen der schmalen Gassen verwischte. Mächtiger Donner grollte über den bunt bemalten Dächern und Turmspitzen und schwarze Wolken verdunkelten den Himmel. Schnell war das Unwetter gekommen, um nun mit aller Wucht über Aeterniya, der Hauptstadt der Wächter, hernieder zu donnern, als gäbe es etwas, was der Regen selbst beweinen müsste; etwas, was ihn nicht nur große Trauer verspüren ließ, sondern auch großen Zorn.
Das Wetter konnte jedoch die Schritte einer kleinen Gruppe Wächter nicht beirren, die geradewegs mit erhobenem Kopf und mit schnellen, ebenmäßigen Schritten durch die Passagen schritten. Nur einer der vier Wächter ließ den Kopf ein wenig hängen und fluchte innerlich über das Wetter, obwohl sie gerade in eine von Glas überdachte Passage gekommen waren, wo er sich mit der freien Hand die klitschnassen weißen Haare aus der Stirn wischte, welches von einem schlanken Diadem geziert wurde.
„Ich hasse dieses Wetter!“
Die beiden Götter, die sich in der Begleitung des leidenden und sich beklagenden Lichtgottes befanden, antworteten nicht auf die Beschwerde. Sie sahen ernst aus; steinern, wie sich bewegende Statuen, die die Beschwerden ihres Mitgottes Light gar nicht hören konnten, weil nichts ihren Gesichtsausdruck verändern durfte oder konnte. Auch das kleine Mädchen, einer Puppe gleich, das auf Lights Arm saß, blieb regungslos. Es drückte sich nur ein wenig enger an die warme Brust Lights, um sich vor dem Regen zu schützen, der nun, als sie die überdachte Passage hinter sich ließen, wieder auf sie herniederströmte. Leblos wirkend, da es kein einziges Mal die Augen niederschlug oder seine Augen bewegte, starrte es auf einen unbestimmten Punkt vor ihnen. Während sie nasse Treppenstufen emporgingen, die von grünen Büschen mit weißen Blüten gesäumt wurden, sah Light herunter auf das Mädchen in seinen Armen, während die Treppenstufen sie einen Hügel hinaufführten, auf dessen Spitze ihr Ziel lag.
„Hikaru?“ Doch von seiner Schwester kam keine Antwort und auch ihre Augen verblieben starr. Sie blinzelte nicht einmal. Light versuchte es kein zweites Mal, denn er wusste, dass Hikaru seine Entscheidung missbilligte und daher wütend auf ihn war. Er wusste auch, dass Toki und Kikou die links und rechts von ihm gingen, als würden sie ihn bewachen, ihn in seinem Entschluss Vater zu werden, indem er seine Nichte und seinen Neffen adoptierte, ebenfalls nicht unterstützten und die anderen Götter taten es sicherlich ebenfalls nicht. Sie hatten keinen Grund genannt, aber sie alle hatten ihre Abneigung diesem Vorhaben gegenüber deutlich gemacht.
Vielleicht war es, weil sie Light für zu kindlich hielten. Viel zu oft beschrieb man ihn so und sie trauten dem Frieden und Harmonie liebenden Gott ungerne Entscheidungen zu, mochten es nicht ihm Verantwortung zu überlassen. Doch leider befürchtete Light, dass es einen anderen Grund gab, weshalb sie nicht wollten, dass er seine Nichte und seinen Neffen aufnahm…
Vor dem Regen flüchtend rannte ein Paar händchenhaltend an dem ernsten Zug vorbei, den man schon beinahe einen Trauerzug nennen konnte, so ernst sahen die Gesichter aus. Das Paar jedoch lachte trotz des Wetters, strahlte sich an und sofort erwärmte das Pärchen Lights Herz und machte es ein wenig leichter. Er lächelte und sah ihnen erfreut hinterher, genau wie Hikaru es tat; doch in ihren weißen Augen lag keine Wärme, keine Freude für dieses Paar, welches aus einem Wächter und einer Dämonin bestand. Hikaru hatte für sie kein Lächeln übrig, sondern einen abschätzenden Blick, der ihr zartes Gesichtchen verdunkelte und Lights Freude verpuffen ließ, als er bemerkte, wie Hikaru sich versteifte. Auch Toki und Kikou sahen stur geradeaus, anstatt Lights positiven Gefühle zu teilen. Es betrübte ihn, dass…
Lights Sichtfeld verschwamm und die feuchten Stufen, auf die er eben noch gesehen hatte, um nicht auszurutschen, verwischen sich mit dem Regen, als er drohte die Balance zu verlieren und zusammen mit Hikaru zu stürzen – was auch beinahe geschehen wäre, hätte Toki nicht seinen Arm um Lights Rücken gelegt, um ihn vor diesen Fall zu bewahren, waren sie doch schon viele Stufen emporgeklommen.
„Ich danke dir, Toki.“ Es folgte keine Antwort und keine Frage, woher Lights plötzlicher Schwächeanfall herrührte – denn er kannte die Antwort, genau wie Light, der nun darum bat, kurz innezuhalten, denn sein Blickfeld war immer noch verwischt, genau wie auch sein Gehörsinn ihm versagte. Toki und Kikou nickten und ließen ihn gewähren; dennoch warfen sie sich einen Blick zu, als Light ihnen den Rücken zukehrte und seine weißen Augen über Aeterniya schweifen ließ, welches er mit seinen momentan trüben Augen nur als ein verschwommenes Farbenmeer sehen konnte. Hikaru hatte er herunterlassen müssen: zu sehr wurde an seinen Kräften und seiner Seele gezehrt.
Seine drei Begleiter hatten Geduld mit ihm und sahen nur etwas nachdenklich auf seinen Rücken, während Light seine Hand an eine blaue Säule legte, um sich abzustützen. Im Augenblick verschonte der Regen sie, denn sie standen auf einer Anhöhe, einem überdachten Balkon, ähnlich einem Pavillon, von dem man bei gutem Wetter eine herrliche Aussicht hatte über die Hauptstadt der Wächter, deren Farben Light langsam wieder voneinander unterscheiden konnte, obwohl seine Hand immer noch an der Säule lag, die die Kuppel hielt, die sie vor dem Regen schützte.
Hikarus Blick zeigte keine Sorge um ihren Bruder: ihre Augen waren starr wie immer als sie auf ihn zu ging und sich geräuschlos neben ihn stellte.
„Light.“ Ein simples Wort, nur für ihn, nur in seinen Gedanken zu hören, denn Hikaru war stumm und ihre Stimme war nur für diejenigen zu hören, die ihr Element teilten.
„Spürst du es nicht, Hikaru?“ Sie gab ihm darauf keine Antwort.
„Meine Sinne… ich habe das Gefühl, dass sie betäubt sind. Geht es dir nicht genauso?“ Er sah empor zum schwarzen Himmel und seinen wirbelnden Wolken. Fernab in dem Gebiet, das den Dämonen gehörte, sah er einen Blitz einschlagen.
„Wenn nur die Sonne scheinen würde…“ Dann würde es ihm besser gehen… dann hätte er das Gefühl, dass seine Mutter…
„Sie wird bald wieder scheinen.“ Light drehte sich zu Hikaru herum; in seinem Gesicht lag Traurigkeit – jene Traurigkeit, die er schon die gesamte Zeit verdrängt hatte.
„Stärker als jemals zuvor.“ Kalt waren die kleinen Hände, die Lights nahmen und sie vermochten es auch nicht, Lights Traurigkeit zum Versiegen zu bringen. Er glaubte auch nicht, dass das möglich war. Die Wunde… war zu frisch, zu tief… zu schwarz.
„Sie wird niemals wieder so scheinen wie früher als Mutter noch bei uns war.“ Wie beschämt über diesen ehrlichen Ausdruck seiner Gefühle zwang er sich nun zu einem Lächeln, als wolle er Hikaru keine Sorgen bereiten – aber Hikaru war schneller und antwortete mit fester Stimme:
„Light, mein Bruder. Mein guter, lieber Bruder…“ Sie drückte seine Hand ein wenig fester:
„… welcher immerzu alles zu intensiv fühlt…“ Nun sah Light in der Tat sehr beschämt aus, als wäre es eine Kritik, doch sein Blick war auch ernst.
„Es sind die Schwingen, die dir noch eine Last sind, doch du wirst dich an ihr Tragen und ihr Gewicht gewöhnen und sie mit Würde und Schönheit tragen, dessen bin ich mir sicher.“ Light versuchte zu lächeln und er stimmte diesen Worten zu, obwohl er dies eigentlich nicht tat. Es war nicht die Verantwortung, die ihn erdrückte.
Es war die Trauer, seine Mutter nicht wieder zu sehen.
Denn sie war… Light schloss die Augen schmerzhaft, als Hikaru ihm den Rücken zukehrte…
… keine 24 Stunden zuvor von ihnen, von ihm gegangen.
Noch ein bisschen Gebäck. Am besten die mit dem Salz aus dem Kristallmeer, die mochte Silence so gerne. Der Tee musste heiß sein, damit er ihr gut tat. Eigentlich durfte Youma ja keinen Tee machen, weil der Kessel so schwer war und das kochende Wasser weh tun könnte. Aber es war niemand da, also musste er das machen, denn Silence war krank und brauchte ihren Tee! Er war ja vorsichtig. Er würde es nicht verschütten.
Intensiv starrte der vierjährige junge Youma auf die runden Glastassen mit den goldenen Blumen, dabei äußerst bedacht absolut keinen Tropfen zu verschütten. Zuerst füllte er die eine Tasse, dann die zweite, denn Silence sollte nicht alleine Medizin einnehmen, das würde er ebenfalls tun, auch wenn er gesund war – sie waren ja Zwillinge. Wenn er die Medizin auch nahm – und Tee war ja Medizin! – dann würde sie sicherlich doppelt so gut wirken! Noch ein wenig Honig von den Bienen oben auf der Spitze bei den rosanen Blüten. Oh, Blüten! Mutter hatte ihm gesagt, dass diese Blüten einen besonders heilsamen Effekt hatten – er würde eine der rosanen Blüten in deren Tee packen.
Stolz darüber, dass er sich an die Worte seiner Mutter erinnert hatte und absolut keinen Tropfen des Wassers verschüttete, stellte Youma die beiden Glastassen auf ein Tablett und nahm zwei Blüten von einem Blumenbouquet gleich neben ihm, woraufhin er vom Tisch herunterrutschte, auf welchem er gerade noch gesessen hatte und das etwas schwere Tablett nahm er in die Hände, um es die Wendeltreppe emporzutragen, die von ewig brennenden Kerzen und lilanen, blauen und schwarzen Kristallen erleuchtet war, die von ihrem innersten Kern heraus ein sanftes Licht ausstrahlten.
„Silenci, ich hab…“ Beinahe ließ Youma das Tablett fallen, als er sah, dass seine Zwillingsschwester Silence nicht im Bett lag, sondern mal wieder ihren rebellischen Charakter zeigte – denn sie hütete nicht das Bett so wie sie es tun sollte, weil sie krank war, sondern war auf die Fensterbank eines der hohen Fenster geklettert, um hinauszusehen. Sich absolut keiner Schuld bewusst, drehte sie sich nicht einmal herum, als Youma deren Dachzimmer betrat.
„Silence!“ Der Spitzname war sofort vergessen:
„Du musst doch im Bett bleiben!“
„Und du sollst mich nicht „Silenci“ nennen!“ Darauf bedacht nichts zu verschütten stellte Youma das Tablett auf einen Tisch neben deren Bett ab und stemmte dann die Hände in die Hüfte, dabei versuchend, genauso bestimmend auszusehen wie deren Mutter. Er war ja auch der Ältere von ihnen!
„Du darfst nicht da oben sein, du musst im Bett bleiben, du bist krank!“
„Bin ich nicht“, grummelte Silence und zog das linke Bein, welches gänzlich blau und lila und an einigen Stellen sogar gelb angelaufen war, ein wenig hoch, versuchte es unter ihrem Rock zu verbergen, damit Youma es nicht sah – aber er hatte es schon längst gesehen.
„Es ist nur ein blauer Fleck.“
„Sieht aber nicht so aus“, konterte Youma, aber sein Blick blieb nicht lange hart – als Silence über die Schulter sah erweichte er sofort.
„Komm, Silence, leg dich ins Bett, solange bis Mutter zurück ist… ich hab auch Tee gemacht und deine Lieblingskekse sind auch da. Die mit dem Meeressalz!“ Silence antwortete nicht. Sie errötete ein wenig, aber sie wandte sich dennoch ab und sah wieder aus dem Fenster.
„Ich muss sehen, wann Mutter kommt.“ Youma ging zu ihr und legte die Hände auf die hohe Fensterbank, auf welcher Silence saß.
„Ich werde für dich Ausschau halten. Leg du dich wieder ins Bett, ich setze mich dann ans Fenster.“ Dieser ehrlichen Bemühung ergab Silence sich und ließ sich von Youma ins Bett führen, denn ihr Bein schmerzte tatsächlich mehr, als sie zugeben wollte und ihr war auch schrecklich heiß, aber das wollte sie ihrem Bruder nicht zeigen – er war sowieso immer viel zu bemüht um sie und das nur wegen diesen acht Minuten, die er älter war - von denen er manchmal so tat als wären es keine Minuten, sondern Jahre… aber der Tee schmeckte und sie lachten beide zusammen, als die Blüten ihre Lippen berührten. Silence im Bett, Youma wie versprochen auf der Fensterbank sitzend. Aber er sah nicht hinaus: er sah zu Silence und freute sich darüber, wenn sie lächelte. Doch das Lächeln verblasste leider zu schnell.
„Ich mag kein Gewitter…“ Sie sah an Youma vorbei aus dem Fenster.
„Es regnet und donnert schon die ganze Zeit, seitdem Mutter weg ist.“
„Sie wird sicher bald wiederkommen. Vielleicht ist sie ja bei Vater…“ Silence fiel ihm ins Wort:
„Sie war noch nie so lange bei ihm… und dann hätte sie Bescheid gegeben…“ Youma versuchte zu lächeln:
„Mach dir keine Sorgen, Silenci. Du hast ja mich, da kann dir das Gewitter gar nichts anhaben!“ Silence errötete ein wenig über ihren Prinzen von einem Zwilling und streckte ihm die Zunge aus.
„Jetzt hör auf mich so zu nennen! Wenn du so weitermachst, wirst du jemanden brauchen, der dich beschützt!“ Youma lachte und auch Silence schloss sich an und wenn Silence lachte, dann war alles gut, ganz egal ob sie ihm die Zunge ausstreckte – deswegen nannte er sie ja so. Damit sie zuerst böse wurde und dann wieder lachte.
„Hast du den Tee getrunken?“
„Ganz artig ausgetrunken!“
„Dann solltest du jetzt schlafen.“
„Aber es ist doch noch gar nicht abends. Die Sterne sind noch nicht wach.“
„Aber du bist ein kranker Stern und du musst schlafen, damit du wieder gesund wirst.“
„Es ist doch nur ein blauer Fleck, Youmaaa…“ Youma wandte sich wieder Silence zu, von welcher er definitiv nicht fand, dass sie gesund aussah. Sie erschien ihm bleich zu sein…? Er konnte sich in dem gedämpften Licht des Dachzimmers irren welches erhellt wurde von sanft leuchtenden Sternen und Kristallen, die wie Stalaktiten von der Decke herunterhingen und die vielen Sitzkissen, Teppiche, Spielzeuge und Bücher, die auf den Boden lagen, matt erleuchteten. Das Licht war ein wenig schummrig – aber genauso mochten die beiden Zwillinge es am liebsten… und ihre Mutter.
Youma sah wieder aus dem Fenster. Er wollte sich keine Sorgen machen… aber er tat es… ein wenig… Silence hatte Recht: ihre Mutter ließ sie doch nie alleine. Nie so lange. Nie ohne etwas zu sagen. Nie! Und er hatte etwas gespürt – nein, er und Silence hatten etwas gespürt. Etwas… einen Stich, der sie aus dem Schlaf gerissen hatte.
„Es ist wirklich nur ein blauer Fleck“, versuchte Silence Youma zu beruhigen, als sie seinen besorgten Blick bemerkte und wohl annahm, dass er so aussah wegen ihr. Youma sah wieder zu ihr:
„Du hast dich doch beim Flugtraining gar nicht gestoßen.“ Silence wollte gerade antworten, als sie beide gleichzeitig etwas spürten, als besäßen sie dasselbe Gespür, denselben Körper – aber es war Silence, die ihren Gedanken zuerst aussprach:
„Auren.“ Youma, der eigentlich gerade zu Silence gehen wollte und deshalb schon von der Fensterbank heruntergesprungen war, sah wieder zum Fenster.
„Aber es sind zu viele.“
„Vier.“
„Und Mutters ist nicht dabei…“ Youma versteifte sich nur kurz, dann war er bei Silence am Bett angekommen – und genau in dem Moment läutete es.
„Warum läutest du an der Tür, Light?“ Mit hochgezogenen Augenbrauen sah Toki Light an, welcher immer noch die Perlenkette in der Hand hielt, die er zum Läuten gebraucht hatte.
„Warum denn nicht? Wir sind Besucher, keine Eindringlinge.“ Kikou, nun rechts neben Light, verdrehte ebenfalls die Augen, während Hikaru, nun wieder sicher auf Lights Arm, sich nicht rührte.
„Und offensichtlich wird uns nicht geöffnet“, bohrte Toki nach und verengte seine schmalen Augen, die auch in der Düsternis des Wetters lila hervorleuchteten.
„Die Kinder sind sicherlich verängstigt. Sie waren nun gut 17 Stunden alleine ohne ihre Mutter und dann spüren sie vier fremde Auren. Welches Kind wäre da nicht…“ Aber Light war der einzige der Götter, der dafür Verständnis aufbrachte und mit einem Schnippen brachte Kikou sie alle vier in die zweite Etage des hohen Gebäudes, direkt unter das Dach, wo sie die beiden Kinder gespürt hatten, die genau wie Light es sich gedacht hatte, sich aneinander klammerten und kurz vor Schreck erstarrten, als die vier Wächter im gleichen Moment, als ein Blitz ganz in ihrer Nähe einschlug, in ihrem Zimmer auftauchten und das Zimmer kurz gleißend erhellt wurde.
„Das war nicht nötig“, flüsterte Light Kikou missgestimmt zu.
„Das war es. Du hättest noch Stunden gewartet.“ Silence und Youma, die von ihrer Mutter Yami beinahe gänzlich von anderen Wächtern sowie auch Dämonen isoliert worden waren, starrten die Besucher erschrocken, aber auch verbissen an – ihre Mutter hatte die beiden offensichtlich nicht zu Angsthasen erzogen. Sie klammerten sich zwar aneinander, aber es lag etwas Angreifendes in ihren Augen, wie Raubtiere, die zum Sprung bereit waren, wenn auch nur eine falsche Bewegung getan wurde.
„Sie sehen aus wie Elementlose…“, hörte Light Hikaru in seinem Kopf sagen.
„… sie fühlen sich auch so an.“
„Sie sind aber keine.“ Der Lichtgott ließ Hikaru vorsichtig auf den Boden gleiten, ohne den Blick abzuwenden von den beiden Zwillingen, mit denen er Augenkontakt hielt, als wäre dies so vorgeschrieben. Dieser wurde auch noch gehalten, als Youma Silence hinter sich schob und versuchte, sie mit seinem Körper zu verbergen. Ganz offensichtlich sah er in den Besuchern eine Bedrohung.
„Du bist der Ältere von euch beiden, nicht wahr?“, begann Light mit einem freundlichen Lächeln, Youma ansehend, welcher allerdings das Gesicht verzog, anstatt freundlich auf Lights Lächeln zu reagieren.
„Was wollt ihr von uns!?“, rief Silence, die sich nicht von Youma in den Hintergrund drängen ließ.
„Ich möchte…“ Lights Lächeln verschwand und er wurde ernst, achtete nicht darauf, dass Hikarus Finger in seiner Hand zuckten:
„… den Wunsch eurer Mutter erfüllen, wenn ihr es erlaubt.“
„Wo ist sie?!“, rief Silence, obwohl Youma weiterhin versuchte, sie hinter sich zu schieben – aber seine Versuche erstarrten nun, als hätte er Lights Antwort bereits gehört. Der Hikari zögerte. Kikou und Toki sahen ihn beide an, sagten aber nichts, hielten sich aus dem Gespräch heraus, als wären sie nur unbeteiligte Zuschauer.
„Ich habe euch…“ Light löste sich von Hikarus Fingern, die langsam aus Lights Hand herausglitten…
„… leider die zutiefst traurige Botschaft zu überbringen, dass eure Mutter zusammen mit der meinen gestorben ist.“ Silence keuchte auf und schlang ihre Arme von hinten um ihren erstarrten Zwilling herum, der Light entgeistert anstarrte.
„Das ist nicht wahr, oder, Youma!? Mutter ist nicht tot, oder?!“
„N-Nein, natür… lich nicht…“ Youma wollte Silence‘ Hände streicheln, die auf seiner Brust lagen, aber seine Hände bewegten sich nicht. Sie bewegten sich genauso wenig wie seine Augen, die auf den leidenden Fremden sahen, der sie mitfühlend ansah.
„Wo ist Vater—?“ Als Youma diese Frage stellte, schien etwas in seinen Augen zu zerbrechen, auszubrechen – Wut und Verzweiflung wurden groß, so groß, dass seine Kinderaugen es kaum auszuhalten vermochten.
„Wenigstens das wird er ja wohl nicht zugelassen haben?! Wenigstens DANN wird er ja wohl bei Mutter gewesen sein!?“ Kikou und Toki warfen sich alarmierte Blicke zu; Hikaru streckte ihre Hand nach Light aus, der der einzige war, der von Youmas heftiger Reaktion nicht erschrocken war.
Auch Silence war es:
„Youma, was… was sagst du denn da?“ Keiner der Anwesenden kam dazu zu antworten, denn Kikou hatte nun entschieden, dass sie lange genug gewartet hatte. Dem kleinen, verzweifelten Yami, dessen Aura plötzlich so aufgeglüht hatte, gelang es gerade noch Kikous türkise Augen aufleuchten zu sehen – dann spürte er auch schon die harte Steinwand an seinem Rücken, als sie ihn mit einer einzigen Handbewegung gegen die Wand zwischen den zwei hohen Fenstern warf.
„Youma!“
„Kikou!“, rief Light aufgebracht:
„So war das nicht abgemacht! Lass das Mädchen los!“ Doch Lights Befehl traf auf taube Ohren und Lights Kopf wirbelte hin und her, als könne er sich nicht entscheiden, wo er zuerst hinsehen solle: zu dem verletzten Jungen, der der Ohnmacht nahe war oder zu Kikou, die gerade ungeachtet von Silence‘ Protesten ihren Rock so empor hob, dass alle ihr blaues Bein sehen konnten, wo einige Stellen sich nun bereits eklig grün verfärbt hatten. Kikou achtete nicht auf Silence‘ Proteste und auch nicht auf Lights Worte, ehe sie mit ernster Stimme erklärte:
„Sie hat eine Vergiftung erlitten. Höchstwahrscheinlich wurde sie vor cirka 17 Stunden von einer Relleares gebissen.“ Sie ließ Silence gehen, welche mit dem Po zuerst auf den Boden plumpste, obwohl Kikou sie nicht fallen gelassen hatte – sie war einfach genau wie Youma überfordert mit dem, was geschah.
„Sie sollte schnellstmöglich behandelt werden, ansonsten könnte es lebensbedrohlich werden“, sprach Kikou an ihre Mitgötter, nicht zu den beiden Kindern, die die Wächter verdattert anstarrten.
„Ich denke, jeder Irrtum ist ausgeschlossen?“, fragte Light, was Kikou wohl als eine Beleidigung auffasste, denn ihre hohe Stirn wölbte sich kurz, aber sie antwortete ohne Wut in der Stimme:
„Ausgeschlossen.“
„Was soll das heißen?“, fragte Youma, der endlich zu Wort und Luft kam. Light sah ihn eine Weile schweigend an, musterte ihn von oben bis unten, ehe er auf den jungen Halbdämon zuschritt. Die Zwillinge trauten ihren Augen nicht, als er sich vor sie beide niederkniete – genauso wenig wie Hikaru es tat, die die Nase rümpfte.
„Eure Eltern sind tot, Youma… Silence. Es war der letzte Wunsch eurer Mutter, dass ich euch beide aufnehme, damit ihr ein angenehmes Leben haben könnt, in welchem es euch an nichts mangeln wird. Ich kann verstehen, wenn ihr mir nicht glaubt. Das verlange ich nicht. Aber ich möchte nicht…“ Light lächelte die beiden an – ein liebes Lächeln, welches in der Lage war, jede Skepsis zu erweichen.
„… dass Silence etwas zustößt. Ich hoffe daher, dass ihr mitkommen werdet.“ Light wandte seinen Blick nun ausschließlich Youma zu:
„Das möchtest du doch auch nicht, oder, Youma?“
„Woher kennen Sie unsere Namen?“, fragte Youma mit etwas zitternder Stimme, obwohl er versuchte ernst zu klingen, Silence an der Hand nehmend, die diesen Griff erwiderte und auch noch ihre rechte Hand über seine legte, als würden sie verschmelzen wollen in ihrer Unsicherheit.
„Eure Mutter hat mir viel von euch erzählt.“
„Sie kennen unsere Mutter?“ Light nickte als Antwort auf Silence‘ Frage.
„Sie war sehr stolz auf ihre beiden Sternenkinder.“ Es gab einen Ruck in den beiden Zwillingen und Silence sah zu Youma, welcher zurücksah… und die beiden schienen etwas auszutauschen, miteinander zu sprechen, in einer tonlosen Sprache, die nur sie verstehen konnten.
„Gut.“ Youma biss sich auf die Unterlippe und nickte. Der Fremde lächelte wie ein kleines Kind und antwortete:
„Das freut mich sehr!“ Der Engel, der so plötzlich in ihr Leben getreten war, streckte die Hand einladend nach ihnen aus:
„Mein Name ist Light.“
„Und so…“ Green lächelte und drehte ihre warme Tasse, welche sie bereits zweimal mit Tee aufgefüllt hatte.
„… lernten die beiden den wohl liebevollsten Hikari kennen.“ Sie nahm einen großen Schluck von ihrem Tee, während Siberu neben ihr vor und zurück wackelte auf dem Sofa, indem er seine angewinkelten Füße mit den Händen festhielt und sich vor und zurück bewegte.
„Und auch den tollpatschigsten.“ Green lachte:
„Laut Silence ist er nämlich, kaum dass sie aus der Tür raus waren, erstmal hingefallen.“
„Er klingt ein wenig wie ein Volltrottel.“
„Sibi!“, ermahnte ihn Green, denn sie hatte Angst, dass Silence ihm eine Vase an den Kopf werfen würde, wenn sie ihn nicht zurechtstutzte dafür. Aber Silence tat es nicht. Sie, unsichtbar, lehnte an der Fensterscheibe der Fensterfront und sah hinaus in den sommerlichen Himmel, wo die ersten Sterne aufleuchteten.
Und lächelte sanft, als sie an diese zarte Erinnerung zurückdachte.
Light war ihr Adoptivvater. Aber für sie… nein, für sie beide… war er immer ihr richtiger Vater gewesen.
Und er würde es auch bleiben. Der Vater der Sternenkinder.
„Es gibt für mich keinen Grund nicht sicher zu sein.“
„Ich wäre dir nicht böse, wenn du „nein“ sagen würdest.“
„Es stört mich nicht, wenn deine Halbdämonen von Aeterniem und Youma wissen. Und wenn sie irgendwie unpassend reagieren oder ich meine Meinung ändere…“ Silence öffnete ihre Augen wieder und auch, wenn diese schwarz waren, so wirkte sie plötzlich sehr dämonisch und recht bedrohlich mit ihrem schmalen Lächeln.
„… werde ich schon dafür sorgen, dass sie es wieder vergessen werden.“ Diese Frau brauchte keine rotleuchtenden Dämonenaugen, um Green einen Schauer über den Rücken laufen zu lassen und die Hikari spürte, dass ihr Instinkt sie eigentlich dazu bringen wollte, auf ihrem Bett ein wenig nach hinten zu rücken, weg von Silence, die mit verschränkten Armen an der Kommode Green gegenüber lehnte.
„Ich möchte nicht, dass Blut fließt.“
„Dann solltest du diese Geschichte aus alten Zeiten auf eine ordentliche, respektvolle Art wiedergeben, ansonsten wird es dein Blut sein“, antwortete Silence in einem ernsten Tonfall und ohne dabei zu lächeln. Green dagegen zwang sich nun zu einem Lächeln.
„Das ist ein Witz.“ Nicht wahr…?
„… oder?“ Silence lächelte wieder – heiter und… etwas dunkel.
„Das möchtest du nicht herausfinden, Hikari-sama.“
Doch, Green wollte es herausfinden. Also nicht, ob Silence sie umbringen würde – dass sie zum Mord fähig war wusste sie – aber Green wollte alles über die Frau ihr gegenüber herausfinden. Silence hatte ihr schon sehr viel von ihrer Vergangenheit gezeigt und von dieser erzählt und auch wenn Green nicht glaubte, dass es sonderlich freiwillig gewesen war, so glaubte sie dennoch, dass es Silence gutgetan hatte, diese alte Geschichte mit jemandem zu teilen. Green wollte respektvoll mit dem Wissen umgehen. Sie wollte Silence zeigen, dass sie auf ihrer Seite war und dass sie… Freunde waren.
Siberu und Gary wollte sie es daher nicht erzählen, weil es eine „spannende“ Geschichte war. Sie wollte es ihnen erzählen, weil sie alles mit ihnen teilte; weil sie nicht länger alles alleine machen wollte und weil sie… das Gefühl hatte zusammen mit Silence in etwas Größeres hineingeraten zu sein; einen Strudel, dessen Abgrund sie nur gemeinsam mit Siberu und Gary entgegenblicken wollte. Seitdem Silence in ihr Leben getreten war und dieses bedroht hatte, hatte sie sich von Siberu und Gary ferngehalten, um diese nicht ebenfalls in Gefahr zu bringen… Green spürte, wie ihr warm wurde, als könnte sie Garys Finger noch zwischen ihren spüren, obwohl es doch nun schon zwei Wochen her war, dass sie sie gespürt hatte… jetzt wollte sie alles andere als Abstand halten. Damit war nun endgültig Schluss. Dieses Kapitel… Green nickte sich selbst zu… würden sie gemeinsam schreiben.
„Wenn du deine Dämonenplüschtiere dafür brauchst, ist mir das allerlei“, antwortete Silence auf diese Gedanken, die Green nicht laut ausgesprochen hatte, die Silence aber dennoch hörte – daran musste die Hikari sich definitiv noch gewöhnen.
„Aber sei dir bewusst, dass du sie in Gefahr bringst. Du hast Youma erlebt.“ Silence löste sich von der Kommode, an der sie vorher noch so getan hatte, als würde sie an dieser lehnen:
„Ich garantiere nicht dafür, dass die beiden dieses Kapitel überleben werden.“ Green nickte mit einem ernsten, nachdenklichen Gesichtsausdruck.
„Das weiß ich“, antwortete sie leise, aber mit Nachdruck.
„Aber ich will Gary vertrauen.“ Sie lächelte mit leicht erröteten Wangen.
„Und wenn er sagt, dass wir drei jede Gefahr gemeinsam durchstehen, dann glaube ich ihm.“
Nachdem Green Silence noch einmal gefragt hatte, ob es für sie wirklich in Ordnung war – und Silence laut wurde – lud sie die beiden Halbdämonen für den nächsten Tag zum Abendessen ein. Pink hatte sie für diesen Tag bei Grey untergebracht: zum Glück war es für Pink absolut verständlich, dass Green auch mal alleine sein wollte mit Siberu und Gary – für Grey weniger… aber das interessierte Green nicht. Hielt er Pink denn für einen Achter der Sitten? Was glaubte ihr Bruder denn, was sie taten, wenn Pink nicht da war? Argh, sie könnte sich stundenlang über ihn aufregen… Nein, jetzt nicht. Jetzt wollte sie das Zusammensein mit Gary und Siberu genießen – es war so lange her, dass sie einfach nur so zusammen aßen! Green hatte chinesisch gekocht, weil die beiden es so gerne mochten. Siberu mochte die süßsaure Variante, Gary die scharfe. Sie hatte das perfekte Abendessen gezaubert und Green hatte sich so sehr darüber gefreut, endlich mal wieder für sie kochen zu können: Siberu freute sich immer so sehr und auch wenn Gary es nicht zugeben wollte, er freute sich sicherlich auch! Ja, da war sie sich sicher. Sie konnte es in seinen Augen sehen, wenn sie sich ansahen und keiner von ihnen sofort wegsah… War es schon immer so schwer gewesen Gary in die Augen zu sehen ohne zu erröten? Ah, nein, natürlich war es nicht immer so schwer gewesen, sie war da ja noch nicht… nein, Green, nicht jetzt! Sie hatte keine Zeit sich über Grey zu beschweren und auch nicht für sie… und über Gary… und über irgendein Herzklopfen nachzudenken.
Außerdem war ihr schon aufgefallen, dass Siberus Augenbrauen ziemlich oft recht weit oben waren.
„Ist iiiirgendetwas vorgefallen, das letzte Mal als ihr beiden alleine wart, Green-chan?“ Urgh, die Frage musste ja kommen, dachte Green während sie Silver eine Schüssel zum Abtrocknen reichte. Siberu hatte wirklich nicht lange gewartet und sofort die Chance zu nutzen gewusst wo sein Bruder hinaus auf den Balkon gegangen war um etwas frische Luft zu schnappen, da er sich mit der Schärfe seines Essens doch etwas übernommen hatte.
„Ja, wir haben uns ausgesprochen, aber ich denke das weißt du schon von Gary?“
„Habt ihr mehr getan als euch… ausgesprochen?“ Siberu lehnte sich mit skeptischen Blick zu Green: die nasse Schale hatte er zwar angenommen, aber er hatte nicht angefangen mit dem Abtrocknen.
„Nein, Sibi, haben wir nicht.“ Also… doch hatten sie, aber das musste man ja nicht erwähnen… genauso wenig wie, dass Green das Gefühl hatte, dass ihre Hand sich erwärmte. Ob es Gary auch so ging…? Nein, Fokus, Fokus! Ansonsten war es Silence, dir ihr als nächstes skeptische Blicke zuwarf.
„Und jetzt beeil dich mit dem Abwasch, ansonsten kommen wir ja nie zum Hauptpunkt des Abends!“
„Hauptpunkt?“ Siberu sah sie verwundert an, aber es war nicht nur er, der dies fragte – genau in diesem Moment war auch Gary wieder hereingekommen und zeitgleich hatten die beiden Brüder diese Frage gestellt, die Green zu einem Grinsen brachte. Ach, es war so schön die beiden wieder um sich zu haben! Wie hatte sie es nur ohne sie ausgehalten!
„Ja, ihr seit heute nicht nur zum Essen hier“, antwortete Green auf die verwunderten Gesichter der beiden Brüder.
„Wir haben etwas vor! Also nimm du bitte kein Handtuch, Gary, das schaffen Sibi und ich schon alleine – mach lieber Tee. Es wird ein langer Abend.“
„Tee?“, fragte Siberu, der endlich die abgetrocknete Schüssel in den Hängeschrank über ihn stellen konnte.
„Sind wir denn bei den Wächtern?“ Gary lehnte sich an Green vorbei um an den Wasserhahn heran zu kommen und sah etwas tadelnd zu seinen abtrockenden Bruder:
„Nicht nur Wächter trinken Tee, Silver.“
„Tee schmeckt nicht.“
„Da merkt man mal wieder, dass du jünger bist als du tust.“
„Was hat denn das mit meinem Alter zu tun?“
„Also keine Sorge, Sibi, ich habe dir einen süßen Tee gekauft.“ Sie sah grinsend zu dem Rotschopf:
„Das sollte dich ehren!“ Green lachte, aber das Lachen verstummte sanft, als Gary aus Versehen ihren Arm streifte. Sie sah ihn an. Er sah sie an – und beide erröteten, während Siberu mit den Augen himmelte. Und er sollte jung sein, huh… Gut, er war der jüngste in dieser Wohnung – er mochte gar nicht darüber nachdenken, dass er nur wenige Monate älter war als Pink – aber gewisse zwei Leute führten sich auf wie Kleinkinder.
Und er wohl auch. Denn irgendwie… mochte er das nicht seh- nein. Egal. Es spielte keine Rolle.
Als hätte Silence nur darauf gewartet, bemerkte Green, dass sie hinter Gary auftauchte, als sie sich mit dem fertig gekochten Tee in die Sofaecke lümmelten. Ihr Blick war scheinbar recht auffällig, denn Gary sah über die Schulter, als erwartete er dort jemanden zu sehen – aber obwohl er von Silence wusste konnte er sie natürlich dennoch nicht sehen. Doch auch wenn er nichts sagte: Green meinte in seinem Blick zu erkennen, dass er verstand, warum Green so auffällig auf einen Punkt hinter ihm gesehen hatte – dass sie eben keinen Punkt an der Wand fokussiert hatte oder die Tür, die zu Pinks Zimmer führte, sondern eine Person angesehen hatte… eine Person, die ihr leicht zugenickt hatte.
„Ich möchte euch etwas erzählen“, begann Green und nahm den Tee entgegen, den Gary ihr und Siberu gereicht hatte. Die Hikari zögerte ein wenig, denn sie hatte sich eigentlich keine Gedanken darüber gemacht wie sie anfangen sollte… aber als sie Siberu und Gary ansah, der eine links neben sie, der andere ihr gegenüber, die bereits ganz gespannt und geduldig darauf warteten, was sie ihnen erzählen würde… zögerte sie nicht länger und begann einfach.
„Und zwar von Aeterniem.“
DIE AETERNIEM CHRONIKENDamals, als die Zeit noch jung war
An dem Tag, als die gemeinsame Geschichte der Wächter und der Dämonen eine Kehrtwende machte, regnete es in Strömen vom Himmel herab, der in Bächen von den prachtvollen Türmen herunterfloss und das Licht der Fenster und Laternen der schmalen Gassen verwischte. Mächtiger Donner grollte über den bunt bemalten Dächern und Turmspitzen und schwarze Wolken verdunkelten den Himmel. Schnell war das Unwetter gekommen, um nun mit aller Wucht über Aeterniya, der Hauptstadt der Wächter, hernieder zu donnern, als gäbe es etwas, was der Regen selbst beweinen müsste; etwas, was ihn nicht nur große Trauer verspüren ließ, sondern auch großen Zorn.
Das Wetter konnte jedoch die Schritte einer kleinen Gruppe Wächter nicht beirren, die geradewegs mit erhobenem Kopf und mit schnellen, ebenmäßigen Schritten durch die Passagen schritten. Nur einer der vier Wächter ließ den Kopf ein wenig hängen und fluchte innerlich über das Wetter, obwohl sie gerade in eine von Glas überdachte Passage gekommen waren, wo er sich mit der freien Hand die klitschnassen weißen Haare aus der Stirn wischte, welches von einem schlanken Diadem geziert wurde.
„Ich hasse dieses Wetter!“
Die beiden Götter, die sich in der Begleitung des leidenden und sich beklagenden Lichtgottes befanden, antworteten nicht auf die Beschwerde. Sie sahen ernst aus; steinern, wie sich bewegende Statuen, die die Beschwerden ihres Mitgottes Light gar nicht hören konnten, weil nichts ihren Gesichtsausdruck verändern durfte oder konnte. Auch das kleine Mädchen, einer Puppe gleich, das auf Lights Arm saß, blieb regungslos. Es drückte sich nur ein wenig enger an die warme Brust Lights, um sich vor dem Regen zu schützen, der nun, als sie die überdachte Passage hinter sich ließen, wieder auf sie herniederströmte. Leblos wirkend, da es kein einziges Mal die Augen niederschlug oder seine Augen bewegte, starrte es auf einen unbestimmten Punkt vor ihnen. Während sie nasse Treppenstufen emporgingen, die von grünen Büschen mit weißen Blüten gesäumt wurden, sah Light herunter auf das Mädchen in seinen Armen, während die Treppenstufen sie einen Hügel hinaufführten, auf dessen Spitze ihr Ziel lag.
„Hikaru?“ Doch von seiner Schwester kam keine Antwort und auch ihre Augen verblieben starr. Sie blinzelte nicht einmal. Light versuchte es kein zweites Mal, denn er wusste, dass Hikaru seine Entscheidung missbilligte und daher wütend auf ihn war. Er wusste auch, dass Toki und Kikou die links und rechts von ihm gingen, als würden sie ihn bewachen, ihn in seinem Entschluss Vater zu werden, indem er seine Nichte und seinen Neffen adoptierte, ebenfalls nicht unterstützten und die anderen Götter taten es sicherlich ebenfalls nicht. Sie hatten keinen Grund genannt, aber sie alle hatten ihre Abneigung diesem Vorhaben gegenüber deutlich gemacht.
Vielleicht war es, weil sie Light für zu kindlich hielten. Viel zu oft beschrieb man ihn so und sie trauten dem Frieden und Harmonie liebenden Gott ungerne Entscheidungen zu, mochten es nicht ihm Verantwortung zu überlassen. Doch leider befürchtete Light, dass es einen anderen Grund gab, weshalb sie nicht wollten, dass er seine Nichte und seinen Neffen aufnahm…
Vor dem Regen flüchtend rannte ein Paar händchenhaltend an dem ernsten Zug vorbei, den man schon beinahe einen Trauerzug nennen konnte, so ernst sahen die Gesichter aus. Das Paar jedoch lachte trotz des Wetters, strahlte sich an und sofort erwärmte das Pärchen Lights Herz und machte es ein wenig leichter. Er lächelte und sah ihnen erfreut hinterher, genau wie Hikaru es tat; doch in ihren weißen Augen lag keine Wärme, keine Freude für dieses Paar, welches aus einem Wächter und einer Dämonin bestand. Hikaru hatte für sie kein Lächeln übrig, sondern einen abschätzenden Blick, der ihr zartes Gesichtchen verdunkelte und Lights Freude verpuffen ließ, als er bemerkte, wie Hikaru sich versteifte. Auch Toki und Kikou sahen stur geradeaus, anstatt Lights positiven Gefühle zu teilen. Es betrübte ihn, dass…
Lights Sichtfeld verschwamm und die feuchten Stufen, auf die er eben noch gesehen hatte, um nicht auszurutschen, verwischen sich mit dem Regen, als er drohte die Balance zu verlieren und zusammen mit Hikaru zu stürzen – was auch beinahe geschehen wäre, hätte Toki nicht seinen Arm um Lights Rücken gelegt, um ihn vor diesen Fall zu bewahren, waren sie doch schon viele Stufen emporgeklommen.
„Ich danke dir, Toki.“ Es folgte keine Antwort und keine Frage, woher Lights plötzlicher Schwächeanfall herrührte – denn er kannte die Antwort, genau wie Light, der nun darum bat, kurz innezuhalten, denn sein Blickfeld war immer noch verwischt, genau wie auch sein Gehörsinn ihm versagte. Toki und Kikou nickten und ließen ihn gewähren; dennoch warfen sie sich einen Blick zu, als Light ihnen den Rücken zukehrte und seine weißen Augen über Aeterniya schweifen ließ, welches er mit seinen momentan trüben Augen nur als ein verschwommenes Farbenmeer sehen konnte. Hikaru hatte er herunterlassen müssen: zu sehr wurde an seinen Kräften und seiner Seele gezehrt.
Seine drei Begleiter hatten Geduld mit ihm und sahen nur etwas nachdenklich auf seinen Rücken, während Light seine Hand an eine blaue Säule legte, um sich abzustützen. Im Augenblick verschonte der Regen sie, denn sie standen auf einer Anhöhe, einem überdachten Balkon, ähnlich einem Pavillon, von dem man bei gutem Wetter eine herrliche Aussicht hatte über die Hauptstadt der Wächter, deren Farben Light langsam wieder voneinander unterscheiden konnte, obwohl seine Hand immer noch an der Säule lag, die die Kuppel hielt, die sie vor dem Regen schützte.
Hikarus Blick zeigte keine Sorge um ihren Bruder: ihre Augen waren starr wie immer als sie auf ihn zu ging und sich geräuschlos neben ihn stellte.
„Light.“ Ein simples Wort, nur für ihn, nur in seinen Gedanken zu hören, denn Hikaru war stumm und ihre Stimme war nur für diejenigen zu hören, die ihr Element teilten.
„Spürst du es nicht, Hikaru?“ Sie gab ihm darauf keine Antwort.
„Meine Sinne… ich habe das Gefühl, dass sie betäubt sind. Geht es dir nicht genauso?“ Er sah empor zum schwarzen Himmel und seinen wirbelnden Wolken. Fernab in dem Gebiet, das den Dämonen gehörte, sah er einen Blitz einschlagen.
„Wenn nur die Sonne scheinen würde…“ Dann würde es ihm besser gehen… dann hätte er das Gefühl, dass seine Mutter…
„Sie wird bald wieder scheinen.“ Light drehte sich zu Hikaru herum; in seinem Gesicht lag Traurigkeit – jene Traurigkeit, die er schon die gesamte Zeit verdrängt hatte.
„Stärker als jemals zuvor.“ Kalt waren die kleinen Hände, die Lights nahmen und sie vermochten es auch nicht, Lights Traurigkeit zum Versiegen zu bringen. Er glaubte auch nicht, dass das möglich war. Die Wunde… war zu frisch, zu tief… zu schwarz.
„Sie wird niemals wieder so scheinen wie früher als Mutter noch bei uns war.“ Wie beschämt über diesen ehrlichen Ausdruck seiner Gefühle zwang er sich nun zu einem Lächeln, als wolle er Hikaru keine Sorgen bereiten – aber Hikaru war schneller und antwortete mit fester Stimme:
„Light, mein Bruder. Mein guter, lieber Bruder…“ Sie drückte seine Hand ein wenig fester:
„… welcher immerzu alles zu intensiv fühlt…“ Nun sah Light in der Tat sehr beschämt aus, als wäre es eine Kritik, doch sein Blick war auch ernst.
„Es sind die Schwingen, die dir noch eine Last sind, doch du wirst dich an ihr Tragen und ihr Gewicht gewöhnen und sie mit Würde und Schönheit tragen, dessen bin ich mir sicher.“ Light versuchte zu lächeln und er stimmte diesen Worten zu, obwohl er dies eigentlich nicht tat. Es war nicht die Verantwortung, die ihn erdrückte.
Es war die Trauer, seine Mutter nicht wieder zu sehen.
Denn sie war… Light schloss die Augen schmerzhaft, als Hikaru ihm den Rücken zukehrte…
… keine 24 Stunden zuvor von ihnen, von ihm gegangen.
Noch ein bisschen Gebäck. Am besten die mit dem Salz aus dem Kristallmeer, die mochte Silence so gerne. Der Tee musste heiß sein, damit er ihr gut tat. Eigentlich durfte Youma ja keinen Tee machen, weil der Kessel so schwer war und das kochende Wasser weh tun könnte. Aber es war niemand da, also musste er das machen, denn Silence war krank und brauchte ihren Tee! Er war ja vorsichtig. Er würde es nicht verschütten.
Intensiv starrte der vierjährige junge Youma auf die runden Glastassen mit den goldenen Blumen, dabei äußerst bedacht absolut keinen Tropfen zu verschütten. Zuerst füllte er die eine Tasse, dann die zweite, denn Silence sollte nicht alleine Medizin einnehmen, das würde er ebenfalls tun, auch wenn er gesund war – sie waren ja Zwillinge. Wenn er die Medizin auch nahm – und Tee war ja Medizin! – dann würde sie sicherlich doppelt so gut wirken! Noch ein wenig Honig von den Bienen oben auf der Spitze bei den rosanen Blüten. Oh, Blüten! Mutter hatte ihm gesagt, dass diese Blüten einen besonders heilsamen Effekt hatten – er würde eine der rosanen Blüten in deren Tee packen.
Stolz darüber, dass er sich an die Worte seiner Mutter erinnert hatte und absolut keinen Tropfen des Wassers verschüttete, stellte Youma die beiden Glastassen auf ein Tablett und nahm zwei Blüten von einem Blumenbouquet gleich neben ihm, woraufhin er vom Tisch herunterrutschte, auf welchem er gerade noch gesessen hatte und das etwas schwere Tablett nahm er in die Hände, um es die Wendeltreppe emporzutragen, die von ewig brennenden Kerzen und lilanen, blauen und schwarzen Kristallen erleuchtet war, die von ihrem innersten Kern heraus ein sanftes Licht ausstrahlten.
„Silenci, ich hab…“ Beinahe ließ Youma das Tablett fallen, als er sah, dass seine Zwillingsschwester Silence nicht im Bett lag, sondern mal wieder ihren rebellischen Charakter zeigte – denn sie hütete nicht das Bett so wie sie es tun sollte, weil sie krank war, sondern war auf die Fensterbank eines der hohen Fenster geklettert, um hinauszusehen. Sich absolut keiner Schuld bewusst, drehte sie sich nicht einmal herum, als Youma deren Dachzimmer betrat.
„Silence!“ Der Spitzname war sofort vergessen:
„Du musst doch im Bett bleiben!“
„Und du sollst mich nicht „Silenci“ nennen!“ Darauf bedacht nichts zu verschütten stellte Youma das Tablett auf einen Tisch neben deren Bett ab und stemmte dann die Hände in die Hüfte, dabei versuchend, genauso bestimmend auszusehen wie deren Mutter. Er war ja auch der Ältere von ihnen!
„Du darfst nicht da oben sein, du musst im Bett bleiben, du bist krank!“
„Bin ich nicht“, grummelte Silence und zog das linke Bein, welches gänzlich blau und lila und an einigen Stellen sogar gelb angelaufen war, ein wenig hoch, versuchte es unter ihrem Rock zu verbergen, damit Youma es nicht sah – aber er hatte es schon längst gesehen.
„Es ist nur ein blauer Fleck.“
„Sieht aber nicht so aus“, konterte Youma, aber sein Blick blieb nicht lange hart – als Silence über die Schulter sah erweichte er sofort.
„Komm, Silence, leg dich ins Bett, solange bis Mutter zurück ist… ich hab auch Tee gemacht und deine Lieblingskekse sind auch da. Die mit dem Meeressalz!“ Silence antwortete nicht. Sie errötete ein wenig, aber sie wandte sich dennoch ab und sah wieder aus dem Fenster.
„Ich muss sehen, wann Mutter kommt.“ Youma ging zu ihr und legte die Hände auf die hohe Fensterbank, auf welcher Silence saß.
„Ich werde für dich Ausschau halten. Leg du dich wieder ins Bett, ich setze mich dann ans Fenster.“ Dieser ehrlichen Bemühung ergab Silence sich und ließ sich von Youma ins Bett führen, denn ihr Bein schmerzte tatsächlich mehr, als sie zugeben wollte und ihr war auch schrecklich heiß, aber das wollte sie ihrem Bruder nicht zeigen – er war sowieso immer viel zu bemüht um sie und das nur wegen diesen acht Minuten, die er älter war - von denen er manchmal so tat als wären es keine Minuten, sondern Jahre… aber der Tee schmeckte und sie lachten beide zusammen, als die Blüten ihre Lippen berührten. Silence im Bett, Youma wie versprochen auf der Fensterbank sitzend. Aber er sah nicht hinaus: er sah zu Silence und freute sich darüber, wenn sie lächelte. Doch das Lächeln verblasste leider zu schnell.
„Ich mag kein Gewitter…“ Sie sah an Youma vorbei aus dem Fenster.
„Es regnet und donnert schon die ganze Zeit, seitdem Mutter weg ist.“
„Sie wird sicher bald wiederkommen. Vielleicht ist sie ja bei Vater…“ Silence fiel ihm ins Wort:
„Sie war noch nie so lange bei ihm… und dann hätte sie Bescheid gegeben…“ Youma versuchte zu lächeln:
„Mach dir keine Sorgen, Silenci. Du hast ja mich, da kann dir das Gewitter gar nichts anhaben!“ Silence errötete ein wenig über ihren Prinzen von einem Zwilling und streckte ihm die Zunge aus.
„Jetzt hör auf mich so zu nennen! Wenn du so weitermachst, wirst du jemanden brauchen, der dich beschützt!“ Youma lachte und auch Silence schloss sich an und wenn Silence lachte, dann war alles gut, ganz egal ob sie ihm die Zunge ausstreckte – deswegen nannte er sie ja so. Damit sie zuerst böse wurde und dann wieder lachte.
„Hast du den Tee getrunken?“
„Ganz artig ausgetrunken!“
„Dann solltest du jetzt schlafen.“
„Aber es ist doch noch gar nicht abends. Die Sterne sind noch nicht wach.“
„Aber du bist ein kranker Stern und du musst schlafen, damit du wieder gesund wirst.“
„Es ist doch nur ein blauer Fleck, Youmaaa…“ Youma wandte sich wieder Silence zu, von welcher er definitiv nicht fand, dass sie gesund aussah. Sie erschien ihm bleich zu sein…? Er konnte sich in dem gedämpften Licht des Dachzimmers irren welches erhellt wurde von sanft leuchtenden Sternen und Kristallen, die wie Stalaktiten von der Decke herunterhingen und die vielen Sitzkissen, Teppiche, Spielzeuge und Bücher, die auf den Boden lagen, matt erleuchteten. Das Licht war ein wenig schummrig – aber genauso mochten die beiden Zwillinge es am liebsten… und ihre Mutter.
Youma sah wieder aus dem Fenster. Er wollte sich keine Sorgen machen… aber er tat es… ein wenig… Silence hatte Recht: ihre Mutter ließ sie doch nie alleine. Nie so lange. Nie ohne etwas zu sagen. Nie! Und er hatte etwas gespürt – nein, er und Silence hatten etwas gespürt. Etwas… einen Stich, der sie aus dem Schlaf gerissen hatte.
„Es ist wirklich nur ein blauer Fleck“, versuchte Silence Youma zu beruhigen, als sie seinen besorgten Blick bemerkte und wohl annahm, dass er so aussah wegen ihr. Youma sah wieder zu ihr:
„Du hast dich doch beim Flugtraining gar nicht gestoßen.“ Silence wollte gerade antworten, als sie beide gleichzeitig etwas spürten, als besäßen sie dasselbe Gespür, denselben Körper – aber es war Silence, die ihren Gedanken zuerst aussprach:
„Auren.“ Youma, der eigentlich gerade zu Silence gehen wollte und deshalb schon von der Fensterbank heruntergesprungen war, sah wieder zum Fenster.
„Aber es sind zu viele.“
„Vier.“
„Und Mutters ist nicht dabei…“ Youma versteifte sich nur kurz, dann war er bei Silence am Bett angekommen – und genau in dem Moment läutete es.
„Warum läutest du an der Tür, Light?“ Mit hochgezogenen Augenbrauen sah Toki Light an, welcher immer noch die Perlenkette in der Hand hielt, die er zum Läuten gebraucht hatte.
„Warum denn nicht? Wir sind Besucher, keine Eindringlinge.“ Kikou, nun rechts neben Light, verdrehte ebenfalls die Augen, während Hikaru, nun wieder sicher auf Lights Arm, sich nicht rührte.
„Und offensichtlich wird uns nicht geöffnet“, bohrte Toki nach und verengte seine schmalen Augen, die auch in der Düsternis des Wetters lila hervorleuchteten.
„Die Kinder sind sicherlich verängstigt. Sie waren nun gut 17 Stunden alleine ohne ihre Mutter und dann spüren sie vier fremde Auren. Welches Kind wäre da nicht…“ Aber Light war der einzige der Götter, der dafür Verständnis aufbrachte und mit einem Schnippen brachte Kikou sie alle vier in die zweite Etage des hohen Gebäudes, direkt unter das Dach, wo sie die beiden Kinder gespürt hatten, die genau wie Light es sich gedacht hatte, sich aneinander klammerten und kurz vor Schreck erstarrten, als die vier Wächter im gleichen Moment, als ein Blitz ganz in ihrer Nähe einschlug, in ihrem Zimmer auftauchten und das Zimmer kurz gleißend erhellt wurde.
„Das war nicht nötig“, flüsterte Light Kikou missgestimmt zu.
„Das war es. Du hättest noch Stunden gewartet.“ Silence und Youma, die von ihrer Mutter Yami beinahe gänzlich von anderen Wächtern sowie auch Dämonen isoliert worden waren, starrten die Besucher erschrocken, aber auch verbissen an – ihre Mutter hatte die beiden offensichtlich nicht zu Angsthasen erzogen. Sie klammerten sich zwar aneinander, aber es lag etwas Angreifendes in ihren Augen, wie Raubtiere, die zum Sprung bereit waren, wenn auch nur eine falsche Bewegung getan wurde.
„Sie sehen aus wie Elementlose…“, hörte Light Hikaru in seinem Kopf sagen.
„… sie fühlen sich auch so an.“
„Sie sind aber keine.“ Der Lichtgott ließ Hikaru vorsichtig auf den Boden gleiten, ohne den Blick abzuwenden von den beiden Zwillingen, mit denen er Augenkontakt hielt, als wäre dies so vorgeschrieben. Dieser wurde auch noch gehalten, als Youma Silence hinter sich schob und versuchte, sie mit seinem Körper zu verbergen. Ganz offensichtlich sah er in den Besuchern eine Bedrohung.
„Du bist der Ältere von euch beiden, nicht wahr?“, begann Light mit einem freundlichen Lächeln, Youma ansehend, welcher allerdings das Gesicht verzog, anstatt freundlich auf Lights Lächeln zu reagieren.
„Was wollt ihr von uns!?“, rief Silence, die sich nicht von Youma in den Hintergrund drängen ließ.
„Ich möchte…“ Lights Lächeln verschwand und er wurde ernst, achtete nicht darauf, dass Hikarus Finger in seiner Hand zuckten:
„… den Wunsch eurer Mutter erfüllen, wenn ihr es erlaubt.“
„Wo ist sie?!“, rief Silence, obwohl Youma weiterhin versuchte, sie hinter sich zu schieben – aber seine Versuche erstarrten nun, als hätte er Lights Antwort bereits gehört. Der Hikari zögerte. Kikou und Toki sahen ihn beide an, sagten aber nichts, hielten sich aus dem Gespräch heraus, als wären sie nur unbeteiligte Zuschauer.
„Ich habe euch…“ Light löste sich von Hikarus Fingern, die langsam aus Lights Hand herausglitten…
„… leider die zutiefst traurige Botschaft zu überbringen, dass eure Mutter zusammen mit der meinen gestorben ist.“ Silence keuchte auf und schlang ihre Arme von hinten um ihren erstarrten Zwilling herum, der Light entgeistert anstarrte.
„Das ist nicht wahr, oder, Youma!? Mutter ist nicht tot, oder?!“
„N-Nein, natür… lich nicht…“ Youma wollte Silence‘ Hände streicheln, die auf seiner Brust lagen, aber seine Hände bewegten sich nicht. Sie bewegten sich genauso wenig wie seine Augen, die auf den leidenden Fremden sahen, der sie mitfühlend ansah.
„Wo ist Vater—?“ Als Youma diese Frage stellte, schien etwas in seinen Augen zu zerbrechen, auszubrechen – Wut und Verzweiflung wurden groß, so groß, dass seine Kinderaugen es kaum auszuhalten vermochten.
„Wenigstens das wird er ja wohl nicht zugelassen haben?! Wenigstens DANN wird er ja wohl bei Mutter gewesen sein!?“ Kikou und Toki warfen sich alarmierte Blicke zu; Hikaru streckte ihre Hand nach Light aus, der der einzige war, der von Youmas heftiger Reaktion nicht erschrocken war.
Auch Silence war es:
„Youma, was… was sagst du denn da?“ Keiner der Anwesenden kam dazu zu antworten, denn Kikou hatte nun entschieden, dass sie lange genug gewartet hatte. Dem kleinen, verzweifelten Yami, dessen Aura plötzlich so aufgeglüht hatte, gelang es gerade noch Kikous türkise Augen aufleuchten zu sehen – dann spürte er auch schon die harte Steinwand an seinem Rücken, als sie ihn mit einer einzigen Handbewegung gegen die Wand zwischen den zwei hohen Fenstern warf.
„Youma!“
„Kikou!“, rief Light aufgebracht:
„So war das nicht abgemacht! Lass das Mädchen los!“ Doch Lights Befehl traf auf taube Ohren und Lights Kopf wirbelte hin und her, als könne er sich nicht entscheiden, wo er zuerst hinsehen solle: zu dem verletzten Jungen, der der Ohnmacht nahe war oder zu Kikou, die gerade ungeachtet von Silence‘ Protesten ihren Rock so empor hob, dass alle ihr blaues Bein sehen konnten, wo einige Stellen sich nun bereits eklig grün verfärbt hatten. Kikou achtete nicht auf Silence‘ Proteste und auch nicht auf Lights Worte, ehe sie mit ernster Stimme erklärte:
„Sie hat eine Vergiftung erlitten. Höchstwahrscheinlich wurde sie vor cirka 17 Stunden von einer Relleares gebissen.“ Sie ließ Silence gehen, welche mit dem Po zuerst auf den Boden plumpste, obwohl Kikou sie nicht fallen gelassen hatte – sie war einfach genau wie Youma überfordert mit dem, was geschah.
„Sie sollte schnellstmöglich behandelt werden, ansonsten könnte es lebensbedrohlich werden“, sprach Kikou an ihre Mitgötter, nicht zu den beiden Kindern, die die Wächter verdattert anstarrten.
„Ich denke, jeder Irrtum ist ausgeschlossen?“, fragte Light, was Kikou wohl als eine Beleidigung auffasste, denn ihre hohe Stirn wölbte sich kurz, aber sie antwortete ohne Wut in der Stimme:
„Ausgeschlossen.“
„Was soll das heißen?“, fragte Youma, der endlich zu Wort und Luft kam. Light sah ihn eine Weile schweigend an, musterte ihn von oben bis unten, ehe er auf den jungen Halbdämon zuschritt. Die Zwillinge trauten ihren Augen nicht, als er sich vor sie beide niederkniete – genauso wenig wie Hikaru es tat, die die Nase rümpfte.
„Eure Eltern sind tot, Youma… Silence. Es war der letzte Wunsch eurer Mutter, dass ich euch beide aufnehme, damit ihr ein angenehmes Leben haben könnt, in welchem es euch an nichts mangeln wird. Ich kann verstehen, wenn ihr mir nicht glaubt. Das verlange ich nicht. Aber ich möchte nicht…“ Light lächelte die beiden an – ein liebes Lächeln, welches in der Lage war, jede Skepsis zu erweichen.
„… dass Silence etwas zustößt. Ich hoffe daher, dass ihr mitkommen werdet.“ Light wandte seinen Blick nun ausschließlich Youma zu:
„Das möchtest du doch auch nicht, oder, Youma?“
„Woher kennen Sie unsere Namen?“, fragte Youma mit etwas zitternder Stimme, obwohl er versuchte ernst zu klingen, Silence an der Hand nehmend, die diesen Griff erwiderte und auch noch ihre rechte Hand über seine legte, als würden sie verschmelzen wollen in ihrer Unsicherheit.
„Eure Mutter hat mir viel von euch erzählt.“
„Sie kennen unsere Mutter?“ Light nickte als Antwort auf Silence‘ Frage.
„Sie war sehr stolz auf ihre beiden Sternenkinder.“ Es gab einen Ruck in den beiden Zwillingen und Silence sah zu Youma, welcher zurücksah… und die beiden schienen etwas auszutauschen, miteinander zu sprechen, in einer tonlosen Sprache, die nur sie verstehen konnten.
„Gut.“ Youma biss sich auf die Unterlippe und nickte. Der Fremde lächelte wie ein kleines Kind und antwortete:
„Das freut mich sehr!“ Der Engel, der so plötzlich in ihr Leben getreten war, streckte die Hand einladend nach ihnen aus:
„Mein Name ist Light.“
„Und so…“ Green lächelte und drehte ihre warme Tasse, welche sie bereits zweimal mit Tee aufgefüllt hatte.
„… lernten die beiden den wohl liebevollsten Hikari kennen.“ Sie nahm einen großen Schluck von ihrem Tee, während Siberu neben ihr vor und zurück wackelte auf dem Sofa, indem er seine angewinkelten Füße mit den Händen festhielt und sich vor und zurück bewegte.
„Und auch den tollpatschigsten.“ Green lachte:
„Laut Silence ist er nämlich, kaum dass sie aus der Tür raus waren, erstmal hingefallen.“
„Er klingt ein wenig wie ein Volltrottel.“
„Sibi!“, ermahnte ihn Green, denn sie hatte Angst, dass Silence ihm eine Vase an den Kopf werfen würde, wenn sie ihn nicht zurechtstutzte dafür. Aber Silence tat es nicht. Sie, unsichtbar, lehnte an der Fensterscheibe der Fensterfront und sah hinaus in den sommerlichen Himmel, wo die ersten Sterne aufleuchteten.
Und lächelte sanft, als sie an diese zarte Erinnerung zurückdachte.
Light war ihr Adoptivvater. Aber für sie… nein, für sie beide… war er immer ihr richtiger Vater gewesen.
Und er würde es auch bleiben. Der Vater der Sternenkinder.